Acclaims
Ein Magier am Klavier: Avan Yu betört bei der „Earthquake“-Matinee im Kiesel

Ungewöhnlich viele Musikfreunde hat die Klaviermatinee des chinesisch-stämmigen kanadischen Pianisten Avan Yu am Sonntagmorgen in den Kiesel gelockt, zahlreiche zusätzliche Stühle wurden auf der Bühne hinter dem Flügel aufgebaut.

Wer ihn im vergangenen Juni in Salem beim Bodenseefestival gehört hatte, wollte den Auftritt nicht missen, und wie dort hat der Pianist wieder vom ersten Ton an in seinen Bann gezogen. Noch einmal war Beethovens Appassionata, die Sonate f-Moll Nr. 23 op. 57, in betörender Klangsinnlichkeit zu hören. Virtuos schöpft der Pianist die reiche Ausdrucksskala aus, die jähen Kontraste von sensibler Träumerei und stürmischem Aufruhr. Schicksalsschwere Trauer und Düsternis hellen sich im Andante auf zu lichter Heiterkeit, wieder überstürzen sich Läufe, brodelt Leidenschaft. Auf kurzes Innehalten folgen erneut sprudelnde Tonkaskaden.

Es macht Freude, dem Entstehen der Musik zuzusehen, dem Spiel der feingliedrigen Hände, aber ebenso gern schließt man die Augen, überlässt sich ganz der Magie der Musik, der dynamischen Kraft wie der höchsten Sensibilität und der fiebrigen Rasanz am Ende der Sonate.

Aufregendes Hörerlebnis

Das folgende Stück, die „Pavane Variée“ des kanadischen Pianisten Marc-André Hamelin, kündigt Avan Yu selbst an. Hamelin wird sein Auftragswerk für den ARD-Wettbewerb 2014 bei den Schwetzinger SWR-Festspielen 2015 selbst spielen, der SWR2 beschrieb es als „mit allen Teufeleien der Klaviertechnik gespickt“. Avan Yu kann es sich leisten, diese Pavane zu spielen. Still beginnt sie mit einem Choralthema aus dem 16. Jahrhundert, dem Yu feinsinnig nachspürt, ehe er sich auf Hamelins spannende Variationen einlässt. Schwindelerregend spielt Yu, dann sind da wieder unwirklich schöne Passagen, feines Glockenspiel – ein aufregendes Hörerlebnis.

Geradezu erholsam ist danach Robert Schumanns Tanzzyklus „Carnaval“ op. 9 – ganz in die fünfte Jahreszeit passend. Ein glänzender Zyklus von zwanzig Miniaturen von der Commedia dell’arte bis zur Valse noble und zum „Marsch der Davidsbündler gegen die Philister“. „Scènes mignonnes“ aus dem böhmischen Städtchen Asch, wo Schumann sich 1834 mit der Baronesse Ernestine von Fricken verlobt hatte – eine Verlobung, die er noch vor Ablauf eines Jahres wieder löste. Als Denkmal für die kurze Liebe ist der glänzende Bilderreigen geblieben, dessen Stimmungen der Pianist so vielfarbig ausmalt: leidenschaftlich stürmisch oder graziös hüpfend, fröhlich und übermütig oder verträumt, scherzhaft und zärtlich, wild und ausgelassen bis zum ekstatischen Schluss.

Seinen begeisterten Zuhörern schenkt er zwei Zugaben: Schumanns zarte Arabeske und eine vergnügliche Etüde von Debussy.

die Schwaebische Zeitung
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